Lucy by Laurence Gonzales

Lucy by Laurence Gonzales

Autor:Laurence Gonzales
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2012-08-30T09:31:31+00:00


Am Spätnachmittag desselben Tages saß Jenny in der Küche und sah Harry beim Kochen zu, während die beiden Mädchen wie zwei neugierige Welpen die geheimen Ecken des alten Hauses erkundeten. Harry holte einen großen Wok aus dem Schrank. Jenny begann Zitronen zu schneiden, um frische Limonade zu machen.

»Ich fürchte, das wird noch eine ganze Weile so ein Katz-und-Maus-Spiel bleiben«, sagte Harry.

»Ja. Wir sind die neueste Sensationsmeldung.«

»Du hast vermutlich einen Plan. Falls die Dinge sich ungut entwickeln sollten.«

»Ja, habe ich«, erwiderte Jenny bloß.

»Erzähl mir nicht davon. Ich will es gar nicht wissen. Aber was ist mit Amanda?«

»Lucy und sie sind unzertrennlich.«

»Und wenn es Schwierigkeiten gibt – was wird dann aus Amanda?«

»Sie wird bei mir bleiben. Bis sie selbst gehen will.« Jenny wusste, worauf Harry mit seinen Fragen hinauswollte, aber eine bessere Antwort hatte sie nicht.

»Ich habe Angst um dich, Jenny. Ich hatte auch immer Angst um dich, wenn du im Dschungel warst. Doch jetzt ist sie noch viel stärker.«

»Warum kommst du dann nicht mit uns nach New York?«

»Nach New York?«

»Ja, wir sollen in Good Morning America auftreten.«

»Ich kann nicht, tut mir leid. Ich muss operieren.«

»Schon okay.«

»Das Abendessen ist in einer halben Stunde fertig. Du könntest mal nachsehen, wohin die Mädchen verschwunden sind.«

Jenny schüttelte lachend den Kopf. Sie beide hörten sich an wie ein altes Ehepaar. Sie machte sich auf den Weg durch das labyrinthische Haus und dachte über das nach, was hätte sein können.

Harrys Haus bot einen tiefen Einblick in seine Persönlichkeit. Er hatte es schon als junger Arzt gekauft. Jenny hatte ihn damals gerade erst kennengelernt und damit aufgezogen, dass es darin wahrscheinlich spukte. Die alte Frau, der es vor ihm gehörte hatte, war hier gestorben. Überall hingen schwere braune Vorhänge, und alte abgenutzte Orientteppiche voller Flecken lagen auf den zerkratzten Holzfußböden. Als Jenny darüber spottete, sagte Harry nur: »Das, mein liebes Kind, sind seidene Perserteppiche.«

»Nur leider völlig mottenzerfressen.«

»Wie kann man nur so pingelig sein.«

Der Kamin im Wohnzimmer war darauf ausgelegt, mit Kohle beheizt zu werden, und die Gaslampen funktionierten immer noch. Doch so jung er damals auch gewesen war, Harry plante langfristig. Im Laufe der Jahre ersetzte er nach und nach die Vorhänge, um mehr Licht hereinzulassen, und schliff selbst die Holzfußböden ab und versiegelte sie neu. Als er dann richtig gut zu verdienen begann, ließ er Schritt für Schritt weitere Renovierungsarbeiten vornehmen, bis das Haus schließlich wieder in seiner alten viktorianischen Pracht erstrahlte und die gereinigten belgischen Kristalllüster wieder so glitzerten wie einst. Diesen großartigen Besitz hätte er mit Jenny teilen wollen, wenn sie denn bereit gewesen wäre, den Dschungel aufzugeben. Als Jenny sich jetzt darin umsah, sehnte sie sich ein wenig nach jenen simpleren Tagen, in denen sie genau zu wissen meinte, was sie wollte, und ohne Bedauern einfach nein sagen konnte.

Zum ersten Mal würdigte sie die bemerkenswerte Leistung, die Harry mit diesem Haus gelungen war, wirklich. Er hatte einen Ort von ungewöhnlicher Ruhe erschaffen. Die Balken aus Weymouth-Kiefer, die unter dem Putz lagen, hart wie Eisen vor Alter, die riesigen Firstbalken irgendwo darüber, die alten Steingiebel,



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